Carlas Aufenthalt an der Westtown School (2009/10)

West Chester, Pennsylvania, USA

Porträt

Nur noch 6 Tage…

So richtig realisiert habe ich es bis jetzt noch nicht, aber in weniger als einer Woche geht’s los in die neue Heimat: Westtown School, West Chester, Pennsylvania.
Aber zuerst einmal möchte ich mich vorstellen. Ich heiße Carla, bin 16 Jahre alt, und wohne zurzeit gemeinsam mit meinen Eltern und mit meinem kleinen Bruder in Bad Honnef, nahe Bonn.
Das Projekt „Auslandsjahr“ fing vor etwa einem Jahr an, als ich mein erstes Gespräch mit Frau Nottebohm in Köln hatte. Von da an kamen Vorbereitungen aller Art: Schule auswählen, Application schreiben, Mathe- und Französichtests schreiben, englische Bücher lesen, Visum beantragen und zu guter letzt das Vorbereitungsseminar in Dortmund. Hier habe ich innerhalb von 2 Tagen so viel über Amerika und Boarding Schools gelernt wie im ganzen Jahr davor noch nicht. Die Tage waren voller spannender Informationen über das Leben in einer „Boarding School“, über Sitten und Bräuche in Amerika, über Regeln und über Schulen in Amerika. Zu dem kamen interessante und aufschlussreiche Gespräche mit Ehemaligen. Teil des Seminars war der Vortrag „Intercultural Competences for your Boarding School Stay“ von Prof. Dr. Ludger Opgenhoff. Er hat uns über Verhaltensregeln verschiedener Kulturen erzählt und wie man fremdes Verhalten deuten kann. Mir persönlich wurde hier klar, dass schon eine kleine Geste und ein Kommentar aus anderer kultureller Perspektive ganz anders interpretiert werden kann, als von mir ursprünglich gemeint. Man muss sich, wenn man in eine neue Kultur kommt, anpassen und vor allem aufpassen was man tut und sagt. Mir hat das Wochenende in Dortmund deutlich in meiner Vorbereitung geholfen. Einerseits weil es mir die Augen geöffnet hat, wie es in Amerika sein wird und andererseits, weil ich mich danach so vorbereitet gefühlt habe, dass ich mich bereit für das Abenteuer gefühlt habe.
Meine weitere Vorbereitung bestand vor allem aus dem Lesen englischer Bücher, dem Lernen von Vokabeln und ganz viel englischem Fernsehen (6 Staffeln „Sex and the City“). Zwischenzeitlich hat sich meine Gastfamilie aus Westtown gemeldet. An der Westtown School ist es üblich, dass man als internationaler Schüler eine Art „Ersatzfamilie“ bekommt. Ich werde am 28.08. in Philadelphia von meinen Gasteltern am Flughafen abgeholt und werde das Wochenende bei ihnen verbringen. Sie haben mich bereits für die Weihnachtsferien zu sich eingeladen.
Für mich bestehen meine letzten Tage in Deutschland aus Besorgungen, Koffer packen und aus letzten Treffen mit Freunden und Familie. Ich bin langsam unglaublich aufgeregt und freue mich total auf die Zeit und all die Dinge die ich an der Westtown School erleben werde.
Freunde

Augen zu und durch…

Und ehe man sich versieht sind schon die ersten 6 Wochen rum. Auf der einen Seite ging die Zeit unglaublich schnell rum, auf der anderen Seite fühlt es sich an als wäre ich schon ewig hier. Der Anfang war nicht unbedingt einfach, aber es wird von Tag zu Tag leichter. Jeden Tag kann man ein bisschen besser Englisch sprechen und reden und jeden Tag denkt man ein bisschen weniger an zu Hause. Und inzwischen geht es mir wirklich gut. Ich fühle mich in meinem Zimmer zu Hause, habe eine sehr, sehr nette Roommate und habe schon einige Freunde gefunden.
Die tägliche Routine ist hier ganz anders als zu Hause. Morgens stehe ich so gegen sieben auf und gehe zum Frühstück. Danach mache ich mich für die Schule fertig - die fängt um zehn nach acht an. Der Dresscode an der Westtown School ist relativ locker, das heißt ich kann alles tragen was ich gerne möchte. Die Schule geht bei mir entweder bis eins oder bis drei. Zwischendurch habe ich Collection und Lunch. In der Collection versammelt sich die ganze Schule und es werden Neuigkeiten wie Wetter, Nachrichten, Sportveranstaltungen usw. angekündigt.
Beim Fußball
Der Unterricht ist hier ganz anders als ich es von zu Hause gewohnt bin. In meiner kleinsten Klasse habe ich gerade mal sechs Mitschüler. Da kann man nicht mal einfach ’ne Schulstunde schlafen!! Auch das Lehrer Schüler Verhältnis ist ganz anders. Ich habe zu jedem meiner Lehrer ein gutes Verhältnis. Mein Religionslehrer ist z.B. gleichzeitig mein Fußballcoach und meine Mathelehrerin ist mein Advisor. Ich habe hier nur sieben Fächer, was heißt dass man jedes Fach sehr viel intensiver studiert als in Deutschland - das gibt mehr Zeit, um sich wirklich mit Themen auseinander zu setzen.
Nach der Schule habe ich jeden Tag Sport. Ich spiele also immer zwei Stunden Fußball. Das Training ist manchmal sehr anstrengend, aber meine Mannschaft ist sehr cool und wir haben immer viel Spaß. Auch hier ist das Verhältnis sehr gut. Wir sind, dadurch dass wir jeden Tag zusammen trainieren, als Team schon jetzt zusammengewachsen.
Nach dem Training haben wir Dinner und danach Study hall. Das sind zwei Stunden in denen jeder seine Hausaufgaben macht. In dieser Zeit ist jeder entweder in seinem Zimmer oder in der Bibliothek. Überall sind Lehrer, die überprüfen dass man leise ist und seine Aufgaben macht. Das klingt am Anfang sehr streng und langweilig, aber ich habe immer sehr viele Hausaufgaben und inzwischen bin ich froh, dass ich eine Zeit habe in der ich in Ruhe meine Aufgaben machen kann. Meistens brauche ich sogar noch länger als die zwei Stunden Studyhall.
Am Ende des Tages falle ich dann immer sehr, sehr müde ins Bett. Ich glaube, ich habe meinen Schlaf noch niemals so sehr genossen wie hier!
Wie schon gesagt, das Leben hier ist toll - ich genieße jeden Tag hier an der Schule und ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Monate. Mal sehen was alles passiert.
 
Campus
Wir sind inzwischen im Winter angekommen. Die Weihnachtsferien sind vorbei und die Schule geht weiter. Nach fast einem halben Jahr in den USA ist die große Aufregung verflogen. Es ist nach wie vor spannend, aber nicht mehr ganz so sehr wie am Anfang. Ich kenne meinen Schulablauf, kenne alle meine Klassenräume, jeden Lehrer und fast jeden Schüler. Es fühlt sich an als wäre ich schon immer hier gewesen.
Der Schulspirit ist hier ganz anders als in Deutschland. Ich habe das Gefühl, dass jeder hier dazu gehört. Die Westtown School ist sehr liberal, jeder wird akzeptiert und man muss keine Angst haben ausgeschlossen zu werden. Ich fühle mich wohl, weil ich so sein kann wie ich will.
Über Weihnachten war ich zu Hause in Deutschland. Es war sehr schön meine Familie und Freunde alle wieder zu sehen und ich bereue es nicht. Obwohl es schwer war wieder zurück zu kommen, habe ich mich doch sehr auf meine Freunde hier in Westtown gefreut. Als ich nach den Ferien wieder die Schule betreten habe, fühlte es sich so an, als ob ich mein anderes zu Hause betrete. Nach einigen Tagen war dann auch das Heimweh wieder weg und ich konnte mich wieder ganz auf die Schule konzentrieren.
Seit ein paar Tagen habe ich mich entschieden das ganze Jahr zu bleiben (ursprünglich waren nur 2 Terms geplant) und ich bin sehr froh mit der Entscheidung. Es würde sich einfach nicht richtig anfühlen nach einem halben Jahr zu gehen. Der Winter hier ist nicht besonders super - es ist kalt und die Lehrer geben einem im Moment jede Menge Aufgaben. Ich habe Glück, weil ich im Moment Morning Fitness mache, das heißt ich habe den Nachmittag frei und kann schon dann ein paar Hausaufgaben machen. Ich freue mich schon jetzt auf den Frühling und bin sehr froh, dass ich hier bleibe. Der Frühling hier soll sehr, sehr schön sein- Ich kann es nicht mehr erwarten!