Voller Aufregung und Vorfreude trat ich vor ungefähr einem Jahr meine Reise in die USA an. Es fühlte sich an wie ein großes Abenteuer und – das kann ich rückblickend sagen – das war es wirklich auch. Denn in diesem einen Jahr habe ich so viel erlebt wie in keinem anderen Jahr und das ist es, was ein Auslandsjahr so besonders macht: All die einzigartigen Erinnerungen, die man mit zurücknimmt.
Das Leben an einer amerikanischen Boarding School ist ganz anders als das, was man von einer deutschen Schule kennt. Das Lehrer-Schüler Verhältnis in Amerika ist viel freundschaftlicher und Lehrer stehen immer zur Verfügung, um Schülern in einer Freistunde oder während der „Study hall“ – so nennt sich die Hausaufgabenzeit – Dinge noch einmal zu erklären oder Fragen zu beantworten. An der Westtown School hatten wir immer von 7:30pm bis 9:30pm „Study hall“, um unsere Hausaufgaben zu erledigen. Hier ist es ganz selbstverständlich, dass jeder Schüler seine Hausaufgaben macht. Toll am Internatsleben ist auch, dass man seine Freunde immer um sich hat, da alle zusammen auf einem Dorm leben. Allerdings war ich etwas schockiert über mein erstes Zimmer, da es wirklich sehr klein für zwei Personen war, wobei ich letztendlich noch das Glück hatte meinen Dorm und somit auch mein Zimmer im Laufe des Jahres zu wechseln.
Nach ein paar Wochen an der Schule hatte ich mich auch schon recht gut eingewöhnt und einige nette Freunde kennengelernt. Bei meiner Freundin Abigail, die bis zum Schluss eine meiner besten Freundinnen an Westtown war, habe ich dann auch schon gleich die Thanksgiving Ferien verbracht. Dies war eine ganz neue und besondere Erfahrung für mich, da ich dabei einen ganz anderen Einblick in die amerikanische Kultur erlangt habe. Thanksgiving haben wir mit ihrer ganzen Großfamilie gefeiert, wobei Abigail und ich schon einen Tag vorher mit ihrer Oma die großen Thanksgiving-Vorbereitungen begannen. Ein großer Turkey durfte dabei natürlich nicht fehlen.
Was in Amerika natürlich auch nicht fehlen darf, ist Halloween. Und das ist dort wirklich genauso, wie ich es mir immer vorgestellt habe: Häuser, die so voll geladen sind mit Halloween Dekoration, dass man gar nicht weiß, wo man zuerst hinschauen soll: auf den als Horror-Ninja verkleideten kleinen Jungen, der im Vorgarten seines Hauses sitzt und einem eine Plastikaxt vor die Füße schlägt oder doch auf die Ratten, die von einer Leine vor der Tür baumeln. Und dann wären da noch die verkleideten Erwachsenen, die nicht etwa wie hier in Deutschland nur mit Klingeln dazu zu bewegen sind, die Tür zu öffnen, sondern schon auf ihren Veranden warten und einen freundlich begrüßen. Ich war an diesem Abend mit den anderen internationalen Schülern unterwegs, für die Westtown jedes Jahr dieses Event organisiert. Von unserem Principal wurden wir dafür sogar mit Kostümen ausgestattet.
Ganz allgemein ist Westtown eine Schule wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Es herrscht dort eine unglaubliche Toleranz gegenüber anderen Mitgliedern der Community und jeder Schüler kann so sein wie er will. Der individuelle Wert eines jeden Schülers, das Wohl der Gemeinschaft und soziale Gerechtigkeit spielen an Westtown eine sehr wichtige Rolle. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass Westtown eine Quaker-Schule ist, die den Glauben vertritt, „that there is that of God in everyone“. Zwei Mal in der Woche nehmen alle am „Meeting for Worship“ teil, einer Versammlung der Quaker, bei der zur inneren Besinnung hauptsächlich geschwiegen wird. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache und ich fand es manchmal auch recht langweilig. Insgesamt war meine Zeit an Westtown sehr besonders, da die Atmosphäre an der Schule sehr angenehm ist und man sich wie ein Mitglied der Community fühlt.
Gegangen bin ich sowohl mit einem lachenden als auch einem weinenden Auge, denn klar ist es schön die Familie und Freunde in Deutschland nach so einer langen Zeit wiederzusehen, aber ich vermisse mein Leben an Westtown auch sehr.
Abschließend möchte ich sagen, dass mein Jahr an der Westtown School das ereignisreichste und spannendste Jahr meines Lebens war. Ich habe so viel Neues kennengelernt und erlebt und so viele gute Freundinnen gefunden und erinnere mich zu gerne an all die schönen Erlebnisse zurück. Ich würde jedem daher ein solches Jahr empfehlen, denn so eine Chance ergibt sich einem vielleicht nur einmal im Leben.