Ich hatte mich schon ein ganzes Jahr früher mit Frau und Herrn Schiefer von SSB getroffen, bevor der Austausch überhaupt stattfinden sollte. Daher war der Gedanke an ein Auslandsjahr zwar früh da, aber nie wirklich konkret. Einzig, dass ich trotz 5 Jahren bilingual französisch lieber auf eine englischsprachige Schule wollte, war mir wichtig. Und Boarding School klang auch gut. Ansonsten habe ich mir nicht viel ausgemalt und alles ein bisschen auf den letzten Drücker gemacht. Ich war einfach zu sehr mit meinem aktuellen Leben in Deutschland beschäftigt.
Aber als die Sommerferien anfingen, wurde es dann plötzlich doch ernst. Ich habe alle meine Freunde getroffen und das letzte Mal gesehen. Außerdem habe ich immer wieder überlegt, was ich denn einpacken sollte. (Am Ende natürlich viel zu viel!) Zwei Wochen vorher wurde ich dann richtig nervös. Mein Leben in Deutschland kam mir plötzlich ganz toll vor. Wieso sollte ich jetzt weg? Was erwartet mich eigentlich? War es überhaupt die richtige Entscheidung? Aber mein Flugdatum rückte unaufhaltsam näher. An einem Dienstag früh war es so weit. Wir sind schon um 5 Uhr morgens zum Frankfurter Flughafen gefahren. Schon auf der zweistündigen Fahrt hatte ich Tränen in den Augen. Ich war aufgeregt und nervös, auch da ich das erste Mal alleine flog. Ich hatte gefühlt tausend verschiedene Dokumente dabei, alles für den Flug und mein Visum. Aber schon die Frau an der Passkontrolle sagte mir, dass ich super vorbereitet sei und wünschte mir viel Glück. An meinem Gate wusste ich dann nicht, ob mein Flug schon aufgerufen wurde oder nicht. Ich habe dann einfach gewartet. Gott sei Dank, da ich sonst in irgendein anderes Flugzeug gestiegen wäre, auf dem Weg nach Thailand oder so. Als ich dann endlich in das richtige Flugzeug stieg, saß tatsächlich der Dalai Lama links in der First Class und hat mich sogar angelächelt. Ich habe geglaubt, ich sehe nicht recht. Da konnte ja jetzt eigentlich nichts mehr schief gehen. Neben mir im Flugzeug saß dann ein älteres Ehepaar aus Deutschland, die ganz begeistert und beeindruckt davon waren, dass ich so jung ein Auslandsjahr machte.
In Kanada angekommen, musste ich erstmal zwei (!) Stunden auf mein Visum warten. Ich war müde, gelangweilt und dann wieder nervös, aber auch diese Beamtin sagte mir, dass ich alles super machen würde. Hat mich in dem Moment schon beruhigt. Dann konnte ich endlich mein Gepäck holen und nach draußen gehen. Dort warteten dann schon ein Fahrer, der mich in die Schule bringen sollte und sogar ein anderer Schüler. Die beiden waren total nett, aber ich war so überwältigt und müde, dass ich auf der ganzen Fahrt gerade mal drei Wörter sagte. Obwohl ab jetzt Englisch zu sprechen ungewohnt war, war es kein wirkliches Hindernis.
Als ich in der Schule angekommen war, war es schon Abend. Die Hausmutter führte mich noch durch das Haus und stellte mir ein paar der Mädchen vor. Dabei war sogar ein Mädchen aus Deutschland. Danach habe ich dann meine Eltern angerufen. Ich stand in meinem kleinen Zimmer, meine riesigen Koffer neben mir und plötzlich konnte ich mir partout nicht vorstellen, dass dies mein Zuhause für die nächsten 10 Monate sein würde. Meine Eltern reagierten daraufhin schon etwas aufgeregt. Nach dem Motto: Was haben wir dem Kind da nur angetan? Aber nach weiteren 5 Minuten habe ich dann noch mal zurückgerufen und gesagt, dass es nur die Müdigkeit sei und alles okay mit mir wäre. Ich würde erstmal schlafen und dann gucken, wie es dort so ist. Danach habe ich noch ca. eine Woche jeden Abend kurz angerufen, aber eigentlich nur zur Berichterstattung und weil ich noch keinen Computer zum mailen hatte. Tagsüber hatte ich einfach zu viel zu tun, um überhaupt Heimweh zu haben und abends war ich zu müde.