Als ich mich 2009 zusammen mit meinem Vater entschieden habe ein Auslandsjahr in Kanada zu machen, hatte ich eigentlich überhaupt keine Ahnung was mich erwarten würde. Trotz einer relativ langen Vorbereitungsphase, in denen meine Eltern und ich viele Dokumente ausfüllen mussten, und einem Vorbereitungstreffen mit dem SSB Team war ich immer noch nervös vor dem, was mir in Kanada bevorstand.
Das Albert College ist eine kleine Schule die in der Stadt Belleville am Lake Ontario liegt. Besonders auszeichnen sollte die Schule das familiäre Umfeld und die aufmerksame Schülerbetreuung. Die Entscheidung fiel also nach kurzem Überlegen auf das Albert College.
Mit schwerem Herzen verabschiedete ich mich dann im September 2009 von meinem Vater und meinem Bruder in Kanada. Schon kurz darauf fuhr die gesamte Schule, in typischen amerikanischen Schulbussen untergebracht, zum Camp Tamakwa. Dort lernte ich die ersten Mitschüler und späteren Freunde kennen. Wir waren in spärlich ausgestatteten Baracken untergebracht, wurden morgens durch ein Glockenläuten geweckt und mussten tagsüber an verschiedenen Freizeitaktivitäten teilnehmen, die alle Spaß gemacht haben. Am Abend wurde ein großes Lagerfeuer gezündet um das wir uns versammelten und ein Lehrer erzählte Geschichten um die Atmosphäre noch ein wenig anzuheizen. Also Campatmosphäre pur. Das Eingewöhnungscamp ist eine sehr schöne Methode, um es den neuen Schülern leichter zu machen, Freunde zu finden und sich schon mal ein bisschen an die neue Situation zu gewöhnen.
Doch dann fing der Ernst des Lebens an. Matheunterricht auf Englisch. In Deutschland war ich ein recht passabler Schüler gewesen, doch Mathe gehörte eigentlich noch nie zu meinen Stärken. Zum Glück waren im Albert College die Lehrer durchweg sehr freundlich und hilfsbereit. Von Anfang an konnte ich mich eigentlich problemlos verständigen, doch es dauerte mindestens drei Monate bis ich den schnell sprechenden Schuldirektor bei seinen wöchentlichen Vorlesungen in der Chapel vollständig verstand. Im Albert College versammelt man sich nämlich drei Mal pro Woche vor dem Unterricht in der Chapel und es werden Reden von Gastsprechern oder von Prefects (Vertrauensschülern) gehalten.
Das Leben im Internat war für mich eine sehr spaßige Erfahrung. Am Anfang des Jahres sollte ich einen mexikanischen Mitbewohner in mein Zweierzimmer bekommen, der allerdings sein Visum nicht erhalten hat und deshalb niemals in Kanada angekommen ist. Ich hatte also ein Zweierzimmer für mich alleine was ja auch nicht das Schlechteste ist. Schnell habe ich Freunde, vor allem unter den Internatsschülern, gefunden. Morgens bis Nachmittags hat man Unterricht, der von mehreren Pausen und einem Mittagessen unterbrochen wird. Danach hat man Sport oder eine Musik bzw. Kunststunde. Ich bin musikalisch leider nicht sehr begabt und das Malen mit Aquarell hat mir bald keinen Spaß mehr gemacht, also habe ich mich kurzerhand für das Rugbyteam beworben, wo ich auch angenommen wurde. Man muss sich keine Gedanken über seine Freizeiteinteilung machen, denn wenn man abends um 21 Uhr keinen Aufsatz mehr schreiben oder keine Power Point Präsentation vorbereiten muss, dann ist man meistens sowieso schon ausgepowert.
Das Leben im Internat werde ich definitiv als eine der besten Erinnerungen an das Albert College behalten. Schon allein wegen der vielen Geschichten die ich dort erlebt habe. Das Versprechen einer familiären Umgebung ist auf jeden Fall erfüllt worden. Man wächst als Schule und unter seinen Freunden durch so viele Erlebnisse und Proben enger zusammen und entwickelt gute Freundschaften. Wenn man zum Beispiel zusammen bis um 3 Uhr Nachts noch für ein Examen lernt und sich dann am nächsten Tag erzählt wie es gelaufen ist, oder wenn man das gegnerische Team im Rugby schlägt, dann schweißt das auf jeden Fall zusammen. Ich habe nun Freunde auf jedem Teil der Erde. Mein Zimmernachbar kam aus Barbados, andere Freunde kommen aus Kenia, den USA, England, Kolumbien, Spanien, Tunesien, Südkorea, Japan und so weiter.
Meine Noten haben sich im Laufe des Schuljahres im Gegensatz zu meiner Zeit in Deutschland erheblich verbessert. Nach einem Jahr Albert College haben meine Familie und ich dann beschlossen, dass es gut wäre wenn ich meinen Schulabschluss dort machen würde.
Nach den Sommerferien 2010 war ich erholt und habe mich schon sehr auf ein Wiedersehen mit meinen Freunden gefreut. Im Gegensatz zu meinem ersten Jahr am Albert College ist es dann dem Rugbyteam und mir gelungen nicht nur die Silbermedaille, sondern endlich die Goldmedaille zu holen. Im Herbst 2010 war ich mit meinen Freunden und einigen Lehrern Kanu fahren und im kanadischen Busch zelten. Ich war vorher noch nie Angeln, aber Mr. Fredericks unser House Director (die Verantwortungsperson für alle Internatsschüler) hat nach ungefähr einer Stunde einen ziemlich dicken Fisch am Haken gehabt. Daraufhin haben wir die besten und frischesten Fischstäbchen gemacht, die ich jemals gegessen habe. Tagsüber sind wir auf den vielen Seen Kanu gefahren, haben Bäume auf unserer kleinen Insel gefällt und daraus Feuerholz gemacht und uns dann abends am Feuer aufgewärmt. Leider konnte ich nicht mit zum zweiten Mal Zelten, weil ich für mein erstes Matheexamen im Januar lernen musste. Generell sollte man wirklich frühzeitig mit dem Lernen für die Examen anfangen, sonst riskiert man, seine schwer erarbeitete Note zu verschlechtern.
Nach zwei Jahren Albert College habe ich im Juni 2011 meinen sehr guten Abschluss gemacht (auch Mathe verstehe ich jetzt) und mich schweren Herzens von meinen Freunden und Bekannten verabschiedet. Mein bester Freund möchte mich im Sommer dieses Jahres besuchen und ich werde auf jeden Fall den Kontakt zu ihm und den anderen Jungs vom Albert College aufrecht halten.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass es in meinem bisherigen Leben eine der besten Entscheidungen war aufs Albert College zu gehen. Ich konnte meine Noten wirklich sehr verbessern, fitter werden und habe viele nette, interessante Menschen kennengelernt. An dieser Stelle möchte ich auch dem SSB Team noch einmal herzlich danken, was mir immer zur Seite gestanden hat und mir in diesen zwei Jahren sehr geholfen hat! Danke!